Einsatz von Bioziden an Fassaden ist eine Planungsaufgabe

Geschrieben von Jürgen Jörges am 07. Mai 2019

Das Thema mit veralgten Fassaden ist nichts Neues und sicherlich hat jeder schon ein mit Algen und Flechten bewuchertes Haus gesehen. Schön ist wirklich etwas anderes.

  • Mit Pilzen und Algen befallene Fassade ohne konstruktiven Schutz

Zum Schutz vor dem ungeliebten Algenbefall wird seitens der Farbindustrie die Fassadenfarbe mit Bioziden ausgestattet. Genau diese Biozide geraten jedoch in Verruf, unsere Umwelt zu vergiften. Durch Auswaschungen sollen sie unser Grundwasser verseuchen und wahrscheinlich wird das Armageddon, der Untergang der Welt, durch den Maler hervorgerufen.

Ja, Biozide in Fassadenfarben müssen wasserlöslich sein, denn nur so können sie wirksam von den Algen und Pilzen aufgenommen werden. Mit einer gewissen Wasserlöslichkeit können sie jedoch auch ins Grundwasser gelangen. Die Industrie hat darauf bereits vor Jahren reagiert und verkapselte Biozide auf dem Markt gebracht. Durch die Verkapselung der Biozide wird der Auswaschungsprozess reduziert und gleichzeitig die Wirksamkeit auf der Fassade verlängert. Ist damit ein Eintrag ins Grundwasser ausgeschlossen?
Nicht ganz – Untersuchungen haben gezeigt, dass bei intensiver Fassadenreinigung Biozide freigesetzt werden. Die ausgewaschenen Biozide lagen bei den überprüften Fassadenreinigungen beträchtlich unter dem Grenzwert für Trinkwasser. Bei solchen Ergebnissen kann ich nicht nachvollziehen, warum der Maler am besten geteert und gefedert durchs Dorf gejagt werden soll, da er angeblich mit hochgiftigen Stoffen unsere Umwelt vergiftet.

Das ganze Dilema um den Schutz vor veralgten Fassaden wird dann deutlich, wenn der Einsatz von Bioziden, als planerische Leistung zu betrachten ist. Wer plant denn jetzt was? Muss der Architekt jetzt als Planer den Einsatz von Bioziden vorgeben? Werden wir zukünftig in Ausschreibungen finden, welches Biozid in welcher Menge zum Einsatz kommen soll? Sicher nicht.

Wenn eine Fassade zu schnell mit Algen und Pilzen befallen ist, wird dem Maler recht schnell die Schuld zugeschoben. Vergangene Urteile belegen, dass eine Hinweisverpflichtung in Bezug auf Algenbewuchs seitens des Malers besteht. Wird der Kunde nicht über die Möglichkeit eines Algenbefalls aufgeklärt, hat der Maler die Schuldfrage an der Backe.

Was an dieser Stelle niemand berücksichtigt, ist die Tatsache, dass eine Vermeidung bzw. eine Reduzierung von biologischem Befall an Fassaden bereits durch konstruktive Maßnahmen vorrangig zu berücksichtigen ist. Dem BFS-Merkblatt NR. 21 - Technische Richtlinien für die Planung und Verarbeitung von Wärmedämm-Verbundsystemen, ist zu entnehmen, dass bei Neubauten und bei wesentlichen Änderungen eines Gebäudes das Risiko für einen Bewuchs an der Oberfläche bereits bei der Planung zu berücksichtigen ist. Dazu zählt in erster Linie das Fernhalten von Feuchtigkeit durch baukonstruktive Maßnahmen.

Ein ausreichender Dachüberstand ist daher ein gutes Mittel, um eine Fassadenoberfläche trocken zu halten.

Wenn ich mir jedoch unsere moderne Bauweise ansehe, dann werden immer noch Häuser ohne Dachüberstand gebaut. Ein konstruktiver Feuchteschutz wird ignoriert und ich frage mich, ob diese Gebäude bereits bei der Planung als Mangel zu bezeichnen sind. An solchen Fassaden kommen wir ohne biozide Ausrüstung einer Fassadenfarbe gar nicht zurecht. An dieser Stelle sei erwähnt, dass eine biozide Ausstattung einer Fassadenfarbe einen Bewuchs an der Oberfläche lediglich verzögert aber nie verhindert.

In diesem Jahr feiern wir 100 Jahre Bauhaus. Material und Form stehen seit dem im Vordergrund. Wenn wir jedoch erkennen, dass etwas technisch nicht funktioniert, dann sollten wir den Mut aufbringen, bereits bei der Planung etwas zu verändern damit wir nicht zum Schluss dem Maler die Schuld zuschieben.

Mein Fazit: Ein Haus ohne Dachüberstand ist ein Mangel.  

 

Lesen Sie auch: Es grünt so grün, ...