Was tun, wenn die Wand nicht mehr atmet?

Immer wieder hört man, dass ein Wärmedämmverbundsystem das Haus am Atmen hindert.
Kaum ein anderer Unsinn hat sich in den Köpfen vieler Hausbesitzer, Mieter und Kunden so hartnäckig festgesetzt wie dieser.

Geschrieben von Jürgen Jörges am 19. Oktober 2015

Es wird keinem Sachverständigen gelingen, mit einem Stethoskop Atemgeräusche an einem Gebäude festzustellen. Und dennoch wird immer wieder, gerade auch von Menschen mit ansonsten hohem Sachverstand, von Begriffen wie „atmungsaktiv“ gesprochen. Auch in vielen Produktbeschreibungen ist dieser völlig falsche Begriff zu finden.

Den Luft-und Feuchtigkeitsaustausch durch das Mauerwerk, im Regelfall von innen nach außen, bezeichnet man als Diffusion. Dieser Austausch ist weitaus geringer als immer gedacht wird und beträgt im Durchschnitt nie mehr als 2 %. Er ist somit weitgehend zu vernachlässigen.
Dennoch hält sich das Vorurteil von zu dichten, nicht atmenden Mauerwerk durch ein Wärmedämmverbundsystem sehr hartnäckig. An dieser Stelle sei angemerkt, dass nicht die Wände Hauptursache für die Dichtheit der Wohnungen sind, sondern die modernen Verbundfenstern mit ihren undurchlässigen Dichtungen im Falzbereich. Die alten undichten Fenster haben zu einer Zwangsbelüftung der Wohnräume geführt, über die auch Feuchtigkeit nach außen abgeführt wurde. Nach einer Fenstererneuerung ist diese Zwangsbelüftung abgestellt und ein Luftaustausch erfolgt nur bei geöffnetem Fenster. Des Weiteren waren die alten Fenster häufig der kälteste Punkt der Gebäudehülle. Dies ist nach einer Fenstererneuerung nun nicht mehr der Fall. Kritisch werden dann Bereiche wie Raumecken, Leibungen oder auch Außenwandflächen die mit Möbel zugestellt sind. Diese Bereiche sind bauphysikalisch bedingt in ihre Oberflächentemperatur kühler und somit anfälliger für Kondensatbildung. Deshalb ist es generell empfehlenswert, beim Austausch neuer Fenster den Wärmeschutz der vorhandenen Außenwände kritisch zu prüfen und gegebenenfalls mit einer gezielten Verbesserung des Wärmeschutzes zu kombinieren.
Zurück zum Luftaustausch. Ein kurzes Stoßlüften (ca. 5-10 Minuten das Fenster komplett öffnen) bringt tausendmal mehr Luftaustausch als die Diffusion des gesamten Mauerwerks pro Tag.
Auch das Bundesministerium beschäftigt sich mit diesem Thema im Informationsblatt „richtiges Lüften beim Heizen“.

  • Schenken Sie der Raum- und Wohnungslüftung große Aufmerksamkeit, besonders bei fugendichten Fenstern. Sie dient nicht nur dazu, verbrauchte Luft durch hygienisch einwandfreie zu ersetzen, sondern eine wesentliche Aufgabe des Lüftens ist die Abführung von Wasserdampf.
  • Vermeiden Sie Dauerlüftung während der Heizperiode. Offene oder gekippte Fensterflüge verursachen ein mehrfaches an Wärmeverlusten gegenüber einer gezielten Stoßlüftung.
  • Lüften Sie bedarfsgerecht und dennoch energiebewusst. Dabei geht zwar etwas Heizenergie verloren, dies muss jedoch im Interesse gesunder raumklimatischer Verhältnisse und zur Vermeidung von Feuchteschäden hingenommen werden. (Auszugsweise)

Generell kann die Aussage getroffen werden, dass nach einer energetischen Sanierung eines Gebäudes, bei dem der U-Wert positiv verändert und somit wertvolle Energie gespart wird, die im Gebäude anfallende Feuchtigkeit beseitigt werden muss. Dabei ist es egal ob, Fenster, Wand oder Dach saniert wurden. Vielleicht hilft es, wenn wir den Bewohner nach einer Sanierung einen Beipackzettel aushändigen, wie wir ihn aus dem Medikamentenbereich kennen.
Morgens, Mittags und Abends 1x…..
Aber, wer liest schon den Beipackzettel!
Wenn die Wand nicht mehr atmet, einfach mal das Fenster öffnen!